Wie achtsame Berührung Körper, Geist und Seele in Einklang bringt
Schon in den Blogartikeln „Die große Umarmung – Selbstheilung durch Berührung“ und „Heilen durch die Kunst der Berührung – Jin Shin Jyutsu“ gab es erste Informationen und Anleitungen zu dieser tiefgreifenden Heilkunst.
Heute geht es in der Reihe einen Schritt weiter – mitten hinein in die feine Welt der Fingerhaltungen und der Emotionen, die sich in ihnen spiegeln.
Denn unsere Hände sind mehr als Werkzeuge. Sie sind Ausdruck unserer inneren Welt – sie halten fest, lassen los, schaffen Verbindung. In jeder Berührung, in jeder Haltung steckt Information, Energie, Gefühl. Jin Shin Jyutsu lehrt uns, diese Sprache bewusst zu sprechen – mit den einfachsten Mitteln, die wir haben: unseren eigenen Fingern.
Die Kraft liegt in deinen Händen
Vielleicht hast du schon erlebt, dass du unbewusst deine Hände an dein Herz legst, wenn dich etwas bewegt. Oder dass du deinen Daumen zwischen den Fingern reibst, wenn du nervös bist. Unser Körper weiß, was ihm guttut – wir müssen uns nur daran erinnern.
Im Jin Shin Jyutsu werden die Finger als Schlüssel zu unseren inneren Energien verstanden. Jeder Finger steht dabei in Resonanz mit bestimmten Emotionen, Organfunktionen und Bewusstseinsaspekten. Wenn du ihn sanft hältst, kann sich der Energiefluss harmonisieren, Gefühle dürfen sich beruhigen oder verwandeln.
Das Wunderbare daran: Du brauchst nichts weiter als dich selbst, deine Hände und ein paar Minuten Zeit.
Ein achtsamer Beginn
Setze dich bequem hin, vielleicht auf einen Stuhl oder in deine Lieblingssitzhaltung. Lass die Schultern sinken, atme ein paar Mal tief aus. Mit jeder Ausatmung darf ein wenig Spannung weichen.
Lege dann eine Hand locker in deinen Schoß und spüre kurz hinein:
Welcher Finger zieht deine Aufmerksamkeit an? Vielleicht ist es der Daumen, vielleicht der kleine Finger – vertraue deinem Gefühl.
Umschließe diesen Finger nun sanft mit der anderen Hand. Kein Druck, kein Zwang – nur eine warme, ruhige Berührung. Halte ihn so, als würdest du einem Kind die Hand reichen. Und atme. Langsam, bewusst, liebevoll.
Die emotionale Landkarte der Finger
Jeder Finger erzählt eine eigene Geschichte. Wenn du sie kennst, kannst du bewusster mit deinen Empfindungen umgehen.
Der Daumen steht für unsere Sorgen, das Grübeln, das ewige Denken. Wenn wir ihn halten, beruhigt sich der Geist. Wir dürfen loslassen, was uns im Kreis drehen lässt, und zurückkehren in das einfache Vertrauen des Jetzt. Beim Halten des Daumens kannst du innerlich sagen: „Ich bin sicher. Ich darf loslassen.“
Der Zeigefinger repräsentiert die Angst – die leise, manchmal lähmende Unsicherheit, die sich in uns festsetzt. Wenn du deinen Zeigefinger hältst, kannst du spüren, wie Mut langsam Raum gewinnt. Jede Ausatmung kann ein kleines „Ja“ sein – zu dir selbst, zum Leben, zu deiner Entscheidung.
Der Mittelfinger ist mitWut, Gereiztheit und innerer
Spannung verbunden. Wir alle kennen dieses brodelnde Gefühl, wenn etwas „zu viel“ ist. Halte den Mittelfinger mit Sanftmut – und lass die Energie abfließen, ohne sie zu bewerten oder gar zu verurteilen. Stell dir vor, du atmest Frieden durch ihn ein und Ärger aus.
Der Ringfinger öffnet das Tor zu Trauer, Kummer und der Fähigkeit loszulassen. Wenn du ihn hältst, darfst du weich werden. Alles, was du verloren hast, darf in Liebe erinnert werden – ohne dich zu beschweren. Spüre, wie mit jeder Ausatmung ein kleines Stück Schwere aus dem Brustraum weicht.
Der kleine Finger schließlich steht für Beziehungen, Kommunikation und Selbstwert. Wenn du ihn hältst, erinnerst du dich daran, dass du gehört und gesehen wirst – ohne dich beweisen zu müssen. Halte ihn, wenn du dich unsicher fühlst oder den Mut suchst, authentisch zu sprechen.
Eine sanfte Praxis für jeden Tag
Wähle jeden Tag einen Finger, der dich besonders anspricht. Halte ihn für einige Minuten, während du ruhig atmest. Du kannst es morgens im Bett tun, in der Mittagspause oder abends, bevor du einschläfst.
Manchmal wirst du Wärme oder ein feines Pulsieren spüren, manchmal einfach nur Ruhe. Vertraue darauf, dass dein Körper genau weiß, was er braucht.
Wenn du magst, kannst du jeden Finger für zwei bis drei Minuten halten und dich so durch die gesamte Hand bewegen – vom Daumen bis zum kleinen Finger. Am Ende legst du beide Hände über dein Herz und verweilst einen Moment in Stille.
Vielleicht spürst du Dankbarkeit. Vielleicht einfach Frieden.
Fingerhaltungen im Alltag
Diese Praxis lässt sich wunderbar in den Alltag integrieren. Wenn du nervös bist, halte unauffällig deinen Daumen. Bei Lampenfieber umschließe den kleinen Finger. Wenn Traurigkeit dich überkommt, halte den Ringfinger und atme bewusst.
Du brauchst keine besondere Umgebung, kein Ritual, keine Meditation – nur Achtsamkeit und die Bereitschaft, dich selbst zu berühren.
Je öfter du das tust, desto vertrauter wird diese kleine Geste. Sie wird zu einer Art innerem Anker, der dich zurück in deine Mitte führt.
Gemeinsam berühren – Partnerübung
Auch zu zweit kann Jin Shin Jyutsu eine wunderschöne Erfahrung sein. Setzt euch gegenüber, schließt kurz die Augen und atmet gemeinsam. Dann legt jede*r eine Hand in die der/des anderen und haltet für einige Minuten denselben Finger – vielleicht den Daumen, um Sorgen zu teilen, oder den Ringfinger, um etwas loszulassen.
Diese stille, bewusste Berührung schafft Verbindung jenseits von Worten. Sie ist ein Akt des Vertrauens – eine Einladung, gemeinsam still zu werden und sich gegenseitig zu stärken.
Ein Weg zu mehr Frieden
In einer Welt, die laut, schnell und oft fordernd ist, schenken uns die Fingerhaltungen einen Moment der Einfachheit. Kein großes Tun, kein Ziel, kein Druck. Nur Atmen, Spüren, Halten.
Es ist fast magisch, wie etwas so Unspektakuläres so tief wirken kann.
Wenn du also das nächste Mal merkst, dass dein Geist unruhig ist oder dein Herz schwer, halte einfach deinen Finger – und atme. Spüre, wie du dich selbst wiederfindest.
Vielleicht ist genau das die wahre Kunst des Jin Shin Jyutsu: nicht das Heilen, sondern das Zurückkehren zu dir selbst.
Tipp zum Vertiefen:
Wenn du mehr über die Hintergründe und die Philosophie dieser Kunst erfahren möchtest, lies gern noch einmal diese Blogartikel „Die große Umarmung – Selbstheilung durch Berührung“ und „Heilen durch die Kunst der Berührung – Jin Shin Jyutsu“. Sie bilden die geistige Grundlage für diese Praxis.





