Atmen ist mehr als Luft holen
Wir tun es rund 20.000 Mal am Tag. Meist, ohne es zu merken. Dabei ist die Atmung eine der kraftvollsten Möglichkeiten, auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden Einfluss zu nehmen. Die Rede ist vom bewussten, richtigen Atmen – und das ist weit mehr als Luft holen.
In diesem Beitrag erfährst du:
- warum viele Menschen ihre Atemkapazität nicht nutzen
- wie Überatmen uns schadet (ja, wirklich!)
- welche Rolle CO₂ in unserem Körper spielt
- welche Gesundheitseffekte bewusstes Atmen hat
- und wie du mit drei einfachen Übungen sofort beginnen kannst
Viele atmen „falsch“ – und merken es nicht
Viele Menschen atmen flach, hektisch oder dauerhaft durch den Mund – oft ohne es zu merken. Besonders unter Stress schaltet unser Körper auf eine Art Notfallmodus um, der die Atmung beschleunigt. Was kurzfristig hilfreich ist, wird auf Dauer zum Problem.
Denn: Wenn wir ständig überatmen, verlieren wir nicht nur die entspannende Wirkung der Atmung – wir bringen auch unser inneres Gleichgewicht aus der Balance.
Warum zu viel Atmen krank machen kann
Das klingt erstmal paradox: Wie soll mehr Atmen schlecht sein?
Der Schlüssel liegt im Gleichgewicht von Sauerstoff und Kohlendioxid (CO₂) im Körper. Beim schnellen oder flachen Atmen sinkt der CO₂-Gehalt im Blut – und das hat Folgen. Denn CO₂ ist keineswegs nur ein „Abfallprodukt“, wie oft angenommen wird. Im Gegenteil: Es spielt eine entscheidende Rolle dabei, Sauerstoff aus dem Blut in die Zellen zu bringen.
Dieses Phänomen nennt man den Bohr-Effekt: Nur bei einem bestimmten CO₂-Niveau kann Sauerstoff überhaupt richtig freigesetzt und vom Gewebe aufgenommen werden. Ist zu wenig CO₂ im Spiel, bleibt der Sauerstoff zwar im Blut – kommt aber nicht dort an, wo er gebraucht wird. Trügerisch ist, dass dennoch eine normale Sauerstoffsättigung angezeigt werden kann.
Dies führt zu einem zellulären Sauerstoffmangel mit zum Teil weitreichenden Folgen wie etwa:
- Konzentrationsstörungen
- Müdigkeit bis hin zur Erschöpfung
- Nervosität
- Schlafprobleme
- Ängste
- Bluthochdruck
- Kalte Extremitäten
Was bringt „richtiges“ Atmen?
- das Nervensystem zu beruhigen
- den Blutdruck zu regulieren
- Stress und Ängste zu reduzieren
- die Schlafqualität zu verbessern
- die Konzentrationsfähigkeit zu steigern
- und das Immunsystem zu unterstützen
Das Beste daran: Du brauchst weder Geräte noch Vorkenntnisse – nur ein paar Minuten Zeit und deine Aufmerksamkeit.
Auch in Yoga und Qi Gong spielt die Atmung eine zentrale Rolle – sie verbindet Bewegung, Achtsamkeit und innere Ausrichtung.
Im Yoga wird der Atem (Pranayama) gezielt gelenkt, um Lebensenergie zu aktivieren und den Geist zu beruhigen.
Qi Gong nutzt den Atem, um die innere Energie (Qi) in Fluss zu bringen, Blockaden zu lösen und Körper sowie Seele in Harmonie zu bringen. In unserer Yang-Sheng Mediathek findest Du filmische Anleitungen zu einigen Qi-Gong-Übungen, die sich gut im Alltag integrieren lassen.
Drei Atemübungen zum Ausprobieren
Hier kommen drei einfache, aber wirksame Atemübungen, die du direkt ausprobieren kannst. Ideal, um sie in den Alltag zu integrieren – morgens zum Wachwerden, in Stressmomenten oder abends zum Runterkommen.
1. Die 4-7-8-Atmung – Für Ruhe und Entspannung
So geht’s:
- Atme 4 Sekunden durch die Nase ein.
- Halte den Atem 7 Sekunden lang an.
- Atme 8 Sekunden lang langsam durch den Mund aus.
Wiederhole das Ganze 4–8 Mal.
2. Die 4-4-4-Atmung – Für Balance und Fokus
Auch bekannt als „Box Breathing“ – diese Methode hilft dir, wieder in deine Mitte zu finden und den Kopf zu klären.
So geht’s:
- 4 Sekunden einatmen,
- 4 Sekunden die Luft anhalten,
- 4 Sekunden ausatmen.
Wiederhole die Übung für 2–5 Minuten.
Ideal vor Meetings, nach intensiven Momenten oder einfach als kurze Pause zwischendurch.
3. Tiefe Bauchatmung – Für Erdung und innere Ruhe
Die Bauchatmung ist unsere (oft verlernte) natürliche Atmung – wie Babys atmen. Sie aktiviert den Vagusnerv, fördert die Entspannung und unterstützt den Stoffwechsel.
So geht’s:
- Lege eine Hand auf deinen Bauch.
- Atme durch die Nase ein und spüre, wie sich dein Bauch hebt.
- Atme doppelt so lange aus und spüre, wie sich dein Bauch senkt.
Übe das 5–10 Minuten am Tag – z. B. im Liegen vor dem Einschlafen.
Mach den Selbstversuch
Nimm dir heute ein paar Minuten Zeit und probiere eine der Übungen aus. Achte darauf, wie du dich danach fühlst. Vielleicht wirst du überrascht sein, wie viel Ruhe, Kraft und Klarheit in deinem Atem verborgen liegen. Dein Atem ist immer da. Und du kannst jederzeit beginnen.